Die Krise der Makroökonomie – Wem nutzt die Volkswirtschaftslehre noch

Es sind wahrlich keine leichten Zeiten für Wirtschaftspolitiker und deren Berater. In den USA muss US-Finanzminister Timothy Geithner den Abgeordneten des US-Kongresses mitteilen, dass die USA kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stehen. Bereits vor April könnte die gesetzliche festgelegte Staatschulden-Obergrenze erreicht werden. Die politisch wichtigst Macht des Planeten zahlungsunfähig – ein Gedanke, der kaum erträglich scheint und dessen Konsequenzen man gar nicht sich ausmalen mag.

Und all dies geschieht, obwohl die US-Zentralbank seit Monaten die Zinsen senkt und ein 600-Milliarden Kaufprogramm für Staatsanleihen beschlossen hat. Flankiert werden diese Maßnahmen von gigantischen Konjunkturprogrammen der US-Regierung. Aber betrachtet man den Arbeitsmarkt, so hat dies dort kaum positive Auswirkungen. Obwohl die Konjunktur leicht anzieht, liegt die Arbeitslosenquote im Land der unbegrenzten Möglichkeiten immer noch über 9 Prozent. Bedenkt man, wie flexibel der amerikanische Arbeitsmarkt ist, wirkt diese Zahl noch dramatischer.
Nicht viel besser ist die Lage in Europa. Auch wenn der Chef der Europäischen Zentralbank EZB Jean-Claude Trichet von einem Euro spricht, der mindestens so stabil wie die Deutsche Mark wäre, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass Portugal, Spanien und vielleicht sogar Italien am Abgrund stehen und den ganzen Euroraum mitreißen könnten.

Offenbar läuft hier also einiges verkehrt. Doch was?
Ein zentrales Problem scheint zu sein, dass es unter den Ökonomen keine herrschende Meinung über die aktuelle Wirtschaftskrise gibt. Zwar begrüßen viele die Konjunkturprogramme, aber schon bei der Frage, ob eine Aufspaltung der Eurozone in zwei Währungszonen sinnvoll ist, kommt es zu deutlichen Meinungsverschiedenheiten. Dabei sollte der Betrachter doch erwarten dürfen, dass eine quantitativ ausgerichtete Wissenschaft in der Lage ist, zwei Modellkonstellationen zu vergleichen und relativ klar sagen zu können, welches Szenario denn „erträglicher“ wäre. Dies jedoch geschieht eben aktuell weder in Europa und ganz ähnlich auch in den USA nicht.

Joseph E. Stiglitz, Professor an der Columbia University und Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften äußerte etwa in einem Aufsatz für projekt-syndicate.org zu Beginn des neuen Jahres 2011 den Gedanken, dass wir aufhören sollten, sogenannten Finanzexperten zuzuhören, die für die Krisen verantwortlich sind und dafür sollten wir wieder unseren gesunden Menschenverstand nutzen. Er plädiert dafür, dass jene die Einschnitte tragen sollen, die für die Krisen verantwortlich sind. Aber leiden dann nicht doch alle darunter, wenn etwa Banken von Pleiten betroffen wären? Lehman Brothers sollte uns hier noch gut in Erinnerung sein.

Was also nutzt eine Wissenschaft, deren führende Köpfe uns schon raten, vor allem „den gesunden Verstand“ zu nutzen. Hat sie noch eine Daseinsberechtigung vor allem auch vor dem Hintergrund, dass es aktuell nicht möglich ist, eine Konsens zwischen den Experten zu finden, wie aktuell mit der Euro Krise umgegangen werden soll. Die Makroökonomie sollte doch schließlich Antworten liefern und nicht den Betrachter mit mehr Fragen zurücklassen, als er vielleicht zuvor schon hatte.

Die Makroökonomie untersucht gesamtwirtschaftliche Fragestellungen. Es liegt in der Natur dieser Disziplin, dass sie aufgrund der komplexen Zustände in einer Volkswirtschaft auch schnell an ihre Grenzen kommen kann. Volkswirtschaften werden geprägt von Menschen und deren Verhalten zu aggregieren ist ein ohnehin schweres Unterfangen. Als Ausrede darf dies dennoch nicht dienen, wenn führende Experten nicht in der Lage sind, gemeinsam klare Empfehlungen auszusprechen, die nicht nur dem gesunden Menschenverstand einleuchten, sondern den Menschen und auch der Politik die wissenschaftliche Sicherheit vermitteln, nach der so viele heute suchen.

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