Marktwirtschaftliche Gesundheitssysteme und Managementberatung
Ausgeprägt marktwirtschaftlich strukturierte Gesundheitssysteme findet man beispielsweise in den USA und der Schweiz. Aufgrund der teilweise deutlichen Unterschiede der USA im gesundheitspolitischen, sozialrechtlichen und sozialpolitischen Bereich zu Deutschland wird hier das Schweizer Gesundheitswesen näher betrachtet, da das dortige Wertesystem sowohl sozialpolitisch, kulturell und gesellschaftlich wohl eher mit dem der BRD vergleichbar ist. Daraus ergeben sich wichtige Implikationen für die Unternehmensberatung der Anbieter bzw. für die Managementberatung der Leistungserbringer.
*grundlegende Struktur und Organisation des Schweizer Gesundheitssystems*
Das Gesundheitssystem der Schweiz verknüpft solidarische Aspekte eines typischen Sozialversicherungssystems mit wettbewerbsorientierten Elementen, um hierdurch Anreize zum effizienten Umgang mit den Ressourcen bei allen Beteiligten zu schaffen. Dem Staat kommt hierbei eine vergleichsweise distanzierte Stellung zu, sowohl in der Finanzierung wie auch Leistungserbringung liegt der Schwerpunkt im privaten Bereich, der einer Unternehmensberatung zugänglich ist. Staatlich Aufgaben sind daher vornehmlich die Schaffung bzw. Erhaltung der solidarischen und wettbewerbsorientierten Strukturen, sowie die Erstellung und Überwachung von Rahmenbedingungen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die recht komplexe Kompetenzverteilung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden. Dabei liegt ein gewichtiger Teil der Befugnisse in kantonalen Händen (vgl. Kocher/Oggier 2004, S.104ff).
*Finanzierung des Gesundheitssystems der Schweiz*
Die Gesundheitsausgaben sind in der Schweiz seit 1950 kontinuierlich gestiegen und lagen 2002 nach WHO Angaben bei 11,2% als Anteil am BIP. Damit lag die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Ausgaben deutlich über derjenigen des BIP. (vgl. Busse/Riesberg 2005, S.99 sowie Kocher/Oggier 2004, S.117f).
Für die gesamte Bevölkerung besteht Versicherungspflicht in einer soziale Krankenkasse. Diese muss Versicherungswillige aufnehmen, die Versicherten haben jedoch die Wahl zwischen 145 Kassen, wobei kantonale Einschränkungen bestehen (vgl. Mühlbauer et.al. 2004, S.51). In dieser Grundversicherung sind sämtliche medizinisch notwenigen Leistungen, sofern sie wirksam, zweckmäßig und wirtschaftlich sind, für jeden Versicherten gesetzlich garantiert (vgl. Kocher/Oggier 2004, S.162).
Als Beitragssätze werden einkommens- und riskiounabhängige Kopfbeiträge, die für jeden Versicherten gleich sind, erhoben. Nur für Kinder oder Jugendliche gelten Ermäßigungen. Jeder Versicherer legt seine eigenen regionalen Beitragssätze fest, so dass zwischen Versicherern und Kantonen erhebliche Prämienunterschiede bestehen (vgl. Kocher/Oggier 2004, S.159f,147f). Bei Leistungsinanspruchnahme muss der Versicherte einen festen Jahresbeitrag (Franchise) selbst aufbringen. Der Mindestfranchise liegt bei 300 SFr. für Erwachsene, kann aber wahlweise bis zu 1500 SFr. betragen, wofür im Gegenzug von den Versicherern Beitragsrabatte gewährt werden. Zusätzlich müssen 10% der die Franchise übersteigenden Kosten (Selbstbehalt; bis zu 700 SFr. jährlich) vom Versicherten getragen werden (vgl. Kocher/Oggier 2004, S.156f).
Die Krankenkassen arbeiten nach dem Umlageverfahren, d.h. sie müssen die Prämien so festsetzen, dass sie damit die für die betreffende Periode geschuldeten Leistungen decken können (Kocher/Oggier 2004, S.160). Einen Erwerb, ihre Prämien sind behördlich zu genehmigen (vgl. Kocher/Oggier 2004, S.158).
Damit sich einkommensschwache Bevölkerungsteile die Kopfpauschalen der Versicherer auch leisten können, legen die Kantone Einkommensgrenzen fest, unterhalb derer teilweise der Versicherungsbeitrag durch den Staat übernommen wird. Da aufgrund der unterschiedlichen Versichertenstrukturen in den einzelnen sozialen Krankenkassen unterschiedliche Kostenstrukturen vorhanden sind, wurde (begrenzt auf 10 Jahre bis Ende 2005) ein Risikoausgleich zwischen den Kassen auf Kantonsebene eingeführt. Als Risikofaktoren werden jedoch nur das zunehmende Alter und das weibliche Geschlecht betrachtet (vgl. Mühlbauer et.al. 2004, S.52). Ein adäquates Risikomanagement etwa durch den Support einer Unternehmensberatung ist hier also zielführend.
Daneben ist der Abschluss einer privaten Zusatzversicherung möglich. Diese bietet z.B. private Behandlung im Krankenhaus oder zusätzliche Behandlungsverfahren an. Die Beiträge sind nicht einheitlich sondern risiko- und altersorientiert, es gibt keinen Anspruch auf Mitgliedschaft für Versicherte und keine staatlichen Beihilfen für Versicherte. Von 1997 bis 2001 sind die Leistungen der Privatversicherer von 475,9 Mio. SFr. auf 2353,3 Mio. Fr. gestiegen, wogegen im gleichen Zeitraum die Leistungen der sozialen Krankenversicherung von 3288,3 Mio. Fr. auf 1576,7 Mio. Fr. gesunken sind (vgl. Kocher/Oggier 2004, S.166-170). Falls ein Patient über eine Zusatzversicherung verfügt, hat er dennoch Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Krankenversicherung.
Die wirtschaftliche Belastung durch die Finanzierung des Gesundheitswesens trifft vornehmlich die Privathaushalte. So sind diese mit 68,2%, die öffentliche Hand mit 25,4% und die Unternehmen mit 6,4% im Jahr 2000 belastet worden. Bezogen auf die Gesamtkosten trugen 2000 die öffentliche Hand 15,2%, die gesetzliche (obligatorische) Krankenpflegeversicherung 32,4%, die privaten Versicherungen 10,5%, Sozialversicherungen (wie Unfallversicherungen) 8% und die Privathaushalte 33,9% der Kosten. Bei letzteren machten die direkten Zahlungen (out of pocket) ca. 27,5% aus, weitere 5,4% fielen für die Kostenbeteiligung der Krankenversicherung an (vgl. Kocher/Oggier 2004, S.120f).
Gerade diese Mischfinanzierung ist es also, die das System auch für Unternehmen interessant werden lässt.